Die Taizé-Komponisten
Auf die Frage "Wer komponierte eigentlich die
Gesänge aus Taizé?" wird man in den meisten
Fällen "Jacques Berthier" zur Antwort
bekommen. Nun, das stimmt auch - fast. Denn in dem Liederbuch aus Taizé finden sich neben vielen Liedern von Jacques Berthier auch orthodoxe Rufe und Hymnen, Lieder und Sätze
von Johann Sebastian Bach, P. Joseph Gelineau SJ,
Michael Praetorius, Sr. Suzanne Toolan
RSM, Melchior Franck, Johannes Petzold und viele Lieder mit der schlichten
Quellenangabe "Taizé".
In den ersten Jahren des Bestehens der Communauté von Taizé sang man
vierstimmige Choräle, russische Hymnen und als Joseph Gelineau
1954 die Psalmodiesammlung "Vingt-quatre
psaumes et un cantique" veröffentlichte, waren die Brüder von Taizé unter den ersten, die diese vierstimmigen, im
Rhythmus am hebräischen Original orientierten Psalmvertonungen in der Liturgie
verwendeten. Als Gelineau 1955 den zweiten Band,
"Cinquante-trois psaumes
et quatre cantiques", verfasste, bat er einige
befreundete Komponisten, darunter Joseph Samson und Jacques Berthier,
Antiphonen zu komponieren. Kurz nach der
Veröffentlichung dieser Sammlung bekam Jacques Berthier
einen Brief aus Taizé mit der Anfrage, ob er für die
Brüder arbeiten wolle.
Berthier musste hierfür erst seinen
Bischof um Erlaubnis fragen, denn damals war es für einen Katholiken undenkbar,
für die protestantische Liturgie zu komponieren. "Zögern sie nicht, das
ist sehr gut." war die Antwort und so komponierte Jacques Berhier ein Offizium für die
Weihnachtsnacht und Proprien für die Feiertage des
Weihnachtsfestkreises. Mit ihrer gesungen Liturgie wurden die Brüder von Taizé mit einem Schlag bekannt, als sie 1955 (und 1958 ein
weiteres Mal) den Grand Prix de L'Academie Charles Cros für eine Schallplattenaufnahme ihres Gottesdienstes
erhielten. "Im gemeinsamen Gesang der von Gelineau,
Samson, Berthier und von anderen vertonten Psalmen
zeigt sich unnachahmbar die mitreissende Kraft der
Gemeinschaft, weil es hier keine Trennung mehr gibt zwischen den Brüdern und
den Besuchern ihrer Gottesdienste" wurde als Verleihungsgrund angegeben.
1968 schrieb Fr. Roger: "Wenn das Gebet in
modernen Sprachen eine ökumenische Bedeutung besitzt, so ist seine musikalische
Bearbeitung bisher noch ein Misserfolg. Auf protestantischer Seite ist es im
16. Jahrhundert einigen Musikern gelungen, das Gebet in Choräle und Psalmen
umzusetzen. Aber das ist lange her. Heutzutage sind die Genies der
Hymnenschöpfung noch nicht in Erscheinung getreten. Für den Augenblick sind wir
dazu verurteilt, uns mit einer Musik abzuplagen, die sich sehr schnell abnutzt.
Dabei suchen wir in dieser Zeit eine Erneuerung, die, von wenigen Ausnahmen
abgesehen, noch auf sich warten lässt."
Als in den frühen 70er-Jahren immer mehr junge
Menschen nach Taizé kamen, wurden zuerst die
bekanntesten Hymnen aus den jeweiligen Sprachräumen und Lieder von Gruppen, die
nach Taizé kamen, gesungen. Einer der ersten Brüder,
Fr. Robert (er starb leider 1993), eigentlich Arzt von Beruf, war schon damals
in Taizé für die Musik verantwortlich. Er stand vor
einem großen Problem: Wie können Menschen mit den verschiedensten
Muttersprachen gemeinsam singen? Nach einer Zeit des Experimentierens mit
Übersetzungen ließ Fr. Robert eines Tages einen Kanon von Praetorius,
"Jubilate Deo" singen. Da dies hervorragend
funktionierte, rief er Jacques Berthier an und bat
diesen, er möge Kanones zu "Magnificat",
"Cantate domino",
u.s.w. komponieren. Ab 1975 entwickelten Fr. Robert
und Jacques Berthier in intensiver Zusammenarbeit das
Genre "Gesänge aus Taizé".
Um eine größere Vielfalt zu ermöglichen, erfanden
sie die Form des (lateinischen) Ostinatos, über das verschiedensprachige Soli
gesungen werden konnten. Mit "Jesus remember me" begann Berthier 1979
auch andere Sprachen einzubeziehen. Seither entstanden unzählige Gesänge, die
mit Sicherheit als die am weitesten verbreitete zeitgenössische christliche
Musik zu betrachten sind.
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Jacques Berthier
Geboren am 27. Juni 1923 in Auxerre,
Frankreich; gestorben am 27. Juni 1994
Er war ein Organist und Komponist in Paris.
Berthier studierte Klavier, Orgel
und Komposition. Seit 1961 war er Organist an der St. Ignatius-Kirche in
Paris. Gemeinsam mit Fr. Robert Giscard entwickelte er seit 1974 das Genre
"Gesänge aus Taizé". Er komponierte für Taizé 284 (nach anderen Quellen 232) kurze, mehrstimmige
Lieder mit Instrumentalbegleitstimmen, oft mit von Solisten gesungenen Überstimmen. Jacques Berthier
komponierte auch andere kirchenmusikalische Werke (wie Messen und Werke für
Orgel), aber seine "Gesänge aus Taizé"
zählen mit Sicherheit zu den weltweit verbreitetsten
Liedern. 2006 wurde er posthum mit dem Jubilate Deo
Award ausgezeichnet. Den Preis nahm stellvertretend
Fr. Jean-Marie entgegen.
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