Text: Dieter Trautwein 1966/1972 nach dem niederländischen "Zolang er mensen zjin op aarde" von Huub Oosterhuis (1958) 1960;
Melodie: Tera de Marez Oyens (1958) 1960):
Die Entstehung des Liedes
"Solang es Menschen gibt auf Erden" ist das erste Kirchenlied, welches der 1933 in Amsterdam geborene Dichter und katholische Theologe Huub Oosterhuis geschrieben hat. Wie er selbst berichtet, kam ihm der Einfall zu dem Lied an einem Sonntagnachmittag im November des Jahres 1958, als Oosterhuis mit dem Fahrrad auf dem Weg von Winsum nach Groningen gegen den Wind kämpfte. In Groningen angekommen hat er es in aller Eile aufgeschrieben, um es dann noch am selben Abend in der Vesper singen zu lassen. Noch hatte das Lied keine eigene Melodie, es wurde auf die Weise des niederländischen Kirchenliedes "O Heer, Gij zijt mijn God en Here" gesungen, nur von einem Saxophon begleitet. Diese Melodie ist heute im katholischen Gotteslob unter der Nummer 490 mit dem Text "Was uns die Erde gutes spendet" abgedruckt. 1960 schrieb die Komponistin Tera de Marez Oyens jene fröhliche Melodie dazu, nach der wir das Lied heute singen.
Sonnig und etwas naiv kommt es daher, als wolle es Gottes Gegenwart mit dem Singen der Vögel und dem Blühen der Blumen bezeugen. Die ersten zwei Strophen sprechen vom Vertrauen in Gottes sorgende Hand: "Solang es Menschen gibt...". Die dritte Strophe untermauert dieses Versprechen Gottes mit dem berühmten Satz Jesu aus der Bergpredigt: "Sehet die Vögel unter dem Himmel an..." (Mt 6,26). Gottes Plan mit uns Menschen ist unausweichlich, wie die letzte Zeile der dritten Strophe verdeutlicht: "Alle meine Tage sind gezählt" (nach Matthäus 10, 29 – 32, in der deutschen Fassung etwas "weicher" formuliert: "hast alle Tage schon bedacht"). Doch gesellt sich in Gott zur Unerbittlichkeit des Schicksals auch die Gnade der Verheißung, von der die vierte Strophe erzählt: "Du bist das Licht, schenkst uns das Leben, du holst die Welt aus ihrem Tod." Wodurch? Durch das Geschenk seines Sohnes, der im Abendmahl mitten unter uns ist. Deswegen eignet sich dieses Lied besonders auch für die Feier des Abendmahls!
Im niederländischen Originaltext bekräftigt das Lied die Gemeinschaft mit Jesus durch das apologetische Bekenntnis des Paulus in seiner Rede an die Athener: "Wir sind seines Geschlechts." (Apg 17:28) (Wieder schwächt die Übersetzung das Original etwas ab: "Du machst deinem Wesen uns verwandt.")
Die Melodie zu EG 427 ist in vielen Gesangbüchern erschienen, sie wird außer in den Niederlanden und Deutschland auch in Belgien, Schweden und England häufig gesungen. Dennoch hat der Rhythmus so seine Tücken: Die zweite Note jeder Zeile ist nicht punktiert, die folgende viertel kommt also genau auf den Schlag, und leitet eine vergnügt "swingende" Synkope ein.
Die Texter
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Hubertus Gerardus Josephus Henricus Oosterhuis, genannt Huub (* 1. November 1933 in Amsterdam), ist ein niederländischer Theologe und Dichter. Oosterhuis war Jesuit, katholischer Priester und Studentenpfarrer in Amsterdam. Sein umfangreiches dichterisches Werk und seine Beiträge zur Erneuerung von Liturgie und Gemeindegesang fanden seit 1967 auch in deutschen Übersetzungen weite Verbreitung. Seit 1969 wandte er sich der reformierten Kirche zu, weshalb die Verwendung seiner Lieder in der katholischen Kirche der Niederlande mittlerweile stark in die Diskussion geraten ist. Oosterhuis spielte in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle in der Entfaltung der "freien Liturgie"-Praxis, die mitunter Bibellesungen durch in liturgischen Arbeitsgruppen erarbeitete Deutungsgeschichten |
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ersetzte, und wo die Eucharistiefeier nicht mehr als Sakrament verstanden wurde. Unsachgemäße und umstrittene Gebete wurden immer mehr in die Glaubenspraxis eingebracht, so z. B. Oosterhuis' eucharistisches Gebet für Agnostiker: "Herr, wenn Sie existieren, so komme dann in unsere Mitte" (niederl.: "Heer, als U bestaat, kom dan onder ons"). Bei der Beisetzung des niederländischen Prinzen Claus, eines langjährigen persönlichen Freundes, hielt er die Trauerrede. Am 29. Mai 2005 hielt er die Predigt im Abschlussgottesdienst zum 30. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover.
Dieter Trautwein geboren am 30. Juli 1928 in Holzhausen am Hünstein (heute Dautphetal, Kreis Biedenkopf); gestorben am 9. November 2002 in Frankfurt am Main war ein deutscher evangelischer Theologe und Texter und Komponist zahlreicher Neuer geistlicher Lieder. Der promovierte evangelische Theologe war 1963 bis 1970 Stadtjugendpfarrer in Frankfurt am Main und anschließend von 1970 bis 1988 Propst ebd. Er war langjähriges Präsidiumsmitglied des Deutschen Evangelischen Kirchentags und Vorsitzender des Gottesdienst-Ausschusses der 6. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver 1983. Dieter Trautwein trat auch als Texter und Komponist zahlreicher Neuer geistlicher Lieder an die Öffentlichkeit. Als Herausgeber von Liedersammlungen förderte er insbesondere den ökumenischen Gedanken und die internationale Vernetzung der Kirchen.
Die Komponistin
Tera de Marez Oyens wurde am 5. August 1932 geboren und ist am 29. August 1996 verstorben. Sie studierte am Amsterdamer Konservatorium Klavier, Violine und Komposition. Sie setzte ihre Studien bei Hans Henkemans (Komposition) und am Institut für Sonology an der Universität Utrecht bei Gottfried Koenig (elektronische Musik) fort. Sie konzertierte als Pianistin und leitete Kinder- und Erwachsenengruppen bei Gruppenimprovisationen. Sie dirigierte sowohl Laien- als auch professionelle Chöre und Orchester, produzierte Musikprogramme für das Radio und schrieb und referierte über Gruppenimprovisation, musikalische Früherziehung und die Rolle der Frau in der Musik. Ihr Buch: Working with Modern Sound wurde 1978 bei dem niederländischen Verlag Toorts/Haarlem verlegt. Bis 1988 lehrte sie Komposition am Konservatorium in Zwolle. Sie ist eine profilierte Komponistin und hat über 200 Werke von Orchester- und kammermusikalischen Werken über elektronische Musik, Kirchen- und Chormusik bis hin zu Kinderopern geschrieben. Viele ihre Kompositionen wurden von dem Niederländischen Kulturministerium und von Deutschen und Niederländischen Rundfunkstationen in Auftrag gegeben. Dieses Jahr ist ihr 10. Todestag, nächstes Jahr wäre ihr 75. Geburtstag
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